H
elden unserer
Eltern
Winnetou als „Wanne Touch!“
Eine der erfolgreichsten Buchverfilmungen aller Zeiten: Karl
Mays Winnetou. Und als wäre ihm diese Rolle auf dem Leib geschnitten worden,
war es selbstverständlich, dass nur Pierre Brice diesen furchtlosen Filmhelden
spielen kann. Ein gut aussehender, maskuliner Mann mit vollem Haar und
stählernem Körper. Von 1962 bis 1968 spielte Brice die Rolle des Winnetou in
insgesamt elf Karl-May-Filmen. Meine Mutter kennt sie Alle.
„Pierre Louis
Baron de Bris“ … Awrrr, schon der volle Name des feurigen Franzosen ließ
Mädchenherzen höher schlagen. Selbstverständlich auch das meiner Mutter. Sie
war ihm als junges Mädchen mit Haut und Haar verfallen: „Ohhh, da is’er wieder!
Pierre Brice… Datt wär’ ja dammals einer für mich gewes’n!“, grunzt meine
Mutter heute von der Couch dem Fernsehgerät entgegen, wenn Pierre Brice zum X.
Mal bei „Wetten, dass…“ zwischen Veronica Ferres und Dieter Bohlen auf dem
Gottschalk/Lanz-Sofa zu sehen ist.
Mama ist 1956 in Recklinghausen Suderwich geboren. Keine
aufregende Gegend, aber für Mama und ihre vier Geschwister war es das Paradies.
Meine Mutter teilte sich mit ihrer einzigen Schwester ein kleines Zimmer im
urigen Elternhaus. Die drei Jungs teilten sich ein etwas Größeres gleich
nebenan. Ihre Zimmer waren, so wie es damals für Kinder und Teenager üblich
war, voll von Musik- und Filmpostern. Jeder von ihnen hatte ein lieblings
Poster und wahrscheinlich könnte mir jeder von ihnen auch heute noch den Namen
des besonderen Helden dieses Posters nennen.
Mama erinnert sich noch ganz genau: „Ich hatte einen lebensgroßen Star-Schnitt aus der Bravo von Pierre Brice als Winnetou direkt neben unserem Etagenbett hängen und zwar exakt so, dass der Kopf genau auf meiner Höhe war und ich ihn Nachts vor dem einschlafen betrachten konnte…Wochenlang hab’ ich mir diese dusselige Zeitschrift gekauft, bis der Typ da feddig an meine’ Wand hing…Ich hab’ ihn geliebt!“ –„Ja ne, is’ klar, Mama…“
Mama erinnert sich noch ganz genau: „Ich hatte einen lebensgroßen Star-Schnitt aus der Bravo von Pierre Brice als Winnetou direkt neben unserem Etagenbett hängen und zwar exakt so, dass der Kopf genau auf meiner Höhe war und ich ihn Nachts vor dem einschlafen betrachten konnte…Wochenlang hab’ ich mir diese dusselige Zeitschrift gekauft, bis der Typ da feddig an meine’ Wand hing…Ich hab’ ihn geliebt!“ –„Ja ne, is’ klar, Mama…“
Dann erzählt sie mir immer ganz verträumt, wie sie damals immer
zur gleichen Uhrzeit ins Wohnzimmer ging, dort den großen Sessel vor das
Fernsehgerät schob, WDR einschaltete und mit angehaltenem Atem der
Anfangsmelodie der Winnetou-Serie lauschte. Beruhigend melodisch hauchen die
Klänge der Mundharmonika durchs Haus. Ich bekomme Gänsehaut, wenn ich an den
„Winnetou-Soundtrack“ denke und mir dabei meine Mama als kleines Mädchen
vorstelle. Völlig fasziniert sitzt es da und verliert sich in den aufregenden
Geschichten des Winnetou und seinem Gefährten Old Shatterhand. Abenteuerlich
und romantisch zugleich, genau das, wonach sich ein heranwachsendes Mädchen
sehnt: „Ach, watt war der immer clever der kleine Indiander da… und ausgesehen
hatta wie purer Zucker…“, schwärmt meine Mama auch heute noch, wenn sie wieder
mal an Brice erinnert wird.
Ich denke nicht, dass es Zufall war, dass mich
meine Mutter des Öfteren zu Karneval als kleines Indiander-Mädchen verkleidete
und mich Nscho-tschi nannte, obwohl ich eigentlich Pocahontas
darstellen wollte. Winnetou hat sich einfach in den Kopf meiner Mutter hinein
gebrannt und das hat uns schon so einige lustige Situationen beschert. So
wollte meine Mutter zum Beispiel tatsächlich mein Pferd umnennen und „Iltschi“
taufen, weil Winnetou sein Pferd auch so hieß. Ein anderes Mal hat sie mir
Mokassins von so `nem Indianer-Markt mitgebracht und steif und fest behauptet,
dass die Dinger aus orthopädischer Sicht das einzig Wahre wären. Oder das eine
Mal, als sie mir `n Traumfänger übers Bett gehangen hat und meinte, dass
Winnetou jetzt auf meine Träume aufpasst.
Idole und Helden sind wichtige Bestandteile
unserer Entwicklung und formen unseren Charakter…den Einen mehr, den Anderen
weniger. Ich für meinen Teil habe meinen „Platz 1-Helden“ noch nicht zu 100
Prozent festgelegt. Vielleicht kann ich das auch erst irgendwann mal mit 40-50
Jahren, wenn ich auf meine Jugend zurückblicke und mir klar wird, dass der oder
die eine besondere Person mich geprägt hat.
Eines kann ich heute aber mit Sicherheit
sagen: Ich bin froh, dass meine Mama sich für Pierre Brice als Winnetou
entschieden hat und nicht für den Typen aus Odyssee Im Weltraum oder solche
Geschichten, weil sie sonst sicherlich noch abgespacter drauf wäre!